Sie gehören zum Alltag des digitalen Lebens. Immer mehr Falschmeldungen durchwandern die Sozialen Medien und beeinflussen dabei auch in Österreich spürbar den politischen Diskurs. Ein beunruhigender Trend. Tom Wannenmacher kämpft mit seinem „Mimikama-Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch“ seit Jahren dagegen an. Politikosmos hat mit dem Experten gesprochen.

 

Politikosmos: Ab wann sprechen wir von Fake News?

Wannenmacher: Der Begriff ist bei uns das erste Mal nach der US-Präsidentschaftswahl rund um D. Trump aufgetaucht. Von Fake-News spricht man, wenn Webseiten optisch aussehen wie seriöse Nachrichtenseiten, die Artikel jedoch vom Inhalt nicht stimmen. Auf diesen Webseiten werden unzählige, meist unseriöse Werbebanner eingeblendet. Damit verdient der Inhaber der Webseite Geld. Es gibt aber auch Fake-News Seiten die damit Stimmung machen wollen.

 

Politikosmos: Haben Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken die Medienlandschaft verändert?

Wannenmacher: Die Geschwindigkeit hat sich verändert. Vor den Sozialen Medien gab es nur vereinzelt Medien mit Nachrichten. Heute ist quasi jeder einzelne Nutzer zu einem Medium geworden. Jeder User kann also Sender und zugleich Empfänger sein, das ist der Unterschied zu den klassischen Medien.

 

Politikosmos: Wer oder was steckt dahinter?

Wannenmacher: Sie dienen zwei großen Zwecken. Erstens geht es um Aufmerksamkeit, genauer gesagt, um mit Werbung Geld zu verdienen. Und zweitens um die politische Beeinflussung durch bewusst gestreute Falschmeldungen. Egal ob Geld, Likes oder Stimmen. Hinter Fake-News stecken immer die, die daraus ihren Nutzen ziehen, finanziell oder ideologisch.

 

Politikosmos: Können Sie den Nutzen solcher Nachrichten noch etwas genauer beschreiben?

Wannenmacher: Der politische Diskurs wird verschoben und Fake News steuern aktuelle Debatten im Netz. Außerdem wird Angst und Hass gegenüber bestimmten Gruppen geschürt. Sie erzeugen Likes, Aufmerksamkeit oder Meinungen, wodurch man Geld oder Macht gewinnen kann. Meinungen werden manipuliert um Menschen zu instrumentalisieren. Sie glauben dann Dinge, die nicht der Wahrheit entsprechen.

 

Politikosmos: Fake News scheinen ein globales Problem darzustellen. Welche Rolle spielen sie in Österreich?

Wannenmacher: Nutzer werden in Österreich, aber auch im gesamten deutschsprachigen Raum, durch Fake-News verunsichert. Das Stichwort hier ist Medienkompetenz. Nutzer müssen sich in diese Richtung weiterbilden. Insbesondere bei der Meinungsmache und dem Gehetze gegen andere spielen sie gerade in Deutschland und Österreich eine große Rolle. Sieht man ja an den Aussagen der AfDeppen oder der FPÖ.
Die Bezeichnung „Globales Problem“ ist sehr zutreffend. Deutschland und Österreich sind nicht die ersten Opfer der „Meinungsmache“ durch Fake News. Als Musterbeispiel kann man die Bevölkerung in Korea sehen. Ein ganzes Land das mit falschen Nachrichten beeinflusst wird. Aber auch die Türkei oder Russland sind immer wieder von der Meinungsmache betroffen. Aus diesem Grund entwickelt sich langsam eine begründete Angst in Deutschland und Österreich, da auch immer mehr politische Gegner dieses Hilfsmittel für sich entdeckt haben. Falschmeldungen können auf durch Angst gedüngten Boden fruchten und die allgemeine Meinung, aber auch die politische Richtung beeinflussen.

 

Politikosmos: Gibt es weitere konkrete Beispiele?

Wannenmacher: Eine ganze Menge. Zum Beispiel ging die Nachricht um, dass in Syrien, in Teilen des Landes, kein Krieg mehr herrscht. Oder alle Migranten würden klauen. Seit der Flüchtlingskrise sind die Fallzahlen für Vergewaltigungen nach oben gegangen. Oder der Klassiker, 2018 wird das Bargeld abgeschafft.

 

Politikosmos: Haben Fake News Auswirkungen auf die österreichische Innenpolitik?

Wannenmacher: Diese Frage kann man so nicht beantworten. Dazu braucht es Statistiken und die gibt es einfach nicht. Was ich aber dazu sagen kann ist, dass es die „Rechten“ besser verstanden haben Social Media zu nutzen, als alle anderen. Es geht bei Fake-News um das Drama und um die Angst. Dadurch entsteht eine emotionale Polarisierung. Das bedeutet, dass die politische Erregung in manchen Filterblasen zu einem Normalzustand wird. Es werden sehr oft falsche Sachverhalte veröffentlicht, die sogar eine Wahl beeinflussen könnten. Auch wenn man dem entgegenwirkt und Dinge widerlegt, hat man im Moment keine Chance dagegen. Denn wie heißt es so schön: „Ein bisschen Schmutz bleibt immer hängen“.

 

Politikosmos: Im Oktober stehen Neuwahlen an. Gibt es einen spürbaren Anstieg von Falschmeldungen während eines Wahlkampfs?

Wannenmacher: In Österreich konnten wir bis dato angeführte Fake-News nicht erkennen. Was bei uns im deutschsprachigen Raum eher vorliegt sind die sogenannten „Hypridfakes“. Es handelt sich dabei um ideologisch geprägte Meldungen. Dies wiederum bedeutet, dass eine Geschichte, eine Meldung zwar in der Kernaussage korrekt ist, aber durch das Weglassen, oder das Hinzufügen von Inhalten, völlig aus dem Kontext gerissen werden. Daher wird ein Szenario völlig neu aufgebaut, das aber so nicht stimmt. Also ich glaube die Falschmeldungen werden nicht steigen, aber die Hyprid-Fakes werden zunehmen.

 

Politikosmos: Fake News werden also mitunter auch von populistischen Parteien auf Facebook, Twitter und Co. geteilt. Woran liegt das?

Wannenmacher: Solche Partien können mit sehr geringen Kosten eine hohe Anzahl an Menschen erreichen und dies außerhalb der „Lügenpresse“ bzw. der Mainstreampresse. Mit Fake-News können sie quasi beweisen, dass sie mit einer These richtig gelegen haben. Mit Hilfe von Fake-News können Menschen leichter polarisiert und instrumentalisiert werden. Vor allem wenn mit Gegendarstellungen gerechnet wird, kann die verbreitende Seite dann sagen: „Seht her, die wollen uns zensieren, niemand soll die Wahrheit erfahren.“ Das führt zu einer gefühlten Wahrheit die nicht mehr auf Fakten basiert. Die Fakes werden dann geteilt und unters Volk gebracht. Dadurch werden falsche Meldungen verbreitet und der Wille diese rechten Parteien bei den nächsten Wahlen zu wählen verstärkt. Die Like-Zahlen der jeweiligen Seiten gehen nach oben.

 

Politikosmos: Wie können sich Bürgerinnen und Bürger schützen?

Wannenmacher: Bürger müssen lernen Quellen zu bewerten. Egal welches Medium etwas veröffentlicht, der User bzw. die BürgerInnen sollten immer nachsehen “wer” hat hier etwas geschrieben. Sie sollen misstrauisch und etwas skeptisch sein, wenn Geschichten dubios wirken. Es ist oft auch nicht verkehrt dem „Bauchgefühl“ zu vertrauen wenn etwas vermeintlich nicht stimmt. Weiters sollte auf Webseiten nach dem Impressum gesucht werden um sich zu vergewissern “wer” da überhaupt schreibt. Unseriöse Webseiten weisen beispielsweise überhaupt kein Impressum auf. Die BürgerInnen sollten selbst die Suchmaschine bemühen. Das Gegenchecken von Texten und Bildern kann dabei helfen, falsche Nachrichten zu erkennen. Wenn Google und Co. Textstellen auf mehreren Webseiten, abseits seriöser Nachrichtenportale wiederfinden, ist das ein Indiz für Fake News. Bei Fotos kann die Bildersuche helfen. Ist ein angeblich aktuelles Foto beispielsweise schon 2008 im Netz aufgetaucht, kann irgendwas nicht stimmen.

 

Politikosmos: Sonstige Tipps um Falschmeldungen zu entlarven?

Wannenmacher: Der Nutzer oder die Nutzerin sollte sich immer Fragen “Wer” hat etwas “wo”, “wie”, “wann” und “warum” getan, und “woher” stammt die eigentliche Information. Die Politik wird sich die nächsten 7-10 Jahre nicht vor Fake News schützen können. Unter anderem, weil die Betreiber von Communities immer noch keine IP-Adressen zur Strafverfolgung herausgeben müssen. Vor dieser Verantwortung drückt sich die Politik. Nur mit der Herausgabe könnte man sich ein wenig vor den strafbaren Meldungen schützen. Aber die Leute können sich schützen indem sie ihren Verstand klug nutzen, Meldungen hinterfragen und nicht alles glauben was im Internet steht.

 

 

 

Tom Wannenmacher © Barbara Wirl

Mastermind und Gründer von „Mimikama-Verein zur Aufklärung über Internetmissbrauch“. Nach 11 Jahren als selbständiger Werbegrafikdesigner ist seit über 6 Jahren die Analyse von Internetinhalten, speziell der sozialen Medien Wannenmachers Fachgebiet.

 

 

Text und Beitragsbild © Lukas Kornhoffer