Der Begriff „Grundrechte“ ist in den verschiedensten Zusammenhängen fast täglich in aller Munde. Nicht selten hört man Sätze wie, „Das Grundrecht auf Datenschutz ist verletzt“, „Das widerspricht dem Grundrecht auf Privatleben“ oder „Sobotka will das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit einschränken“. Aber was genau bedeuten diese Aussagen eigentlich?
Was?
Was genau ist eigentlich ein „Grundrecht“ und was unterscheidet es vom „Menschenrecht“.
Diese beiden Begriffe werden (fehlerhaft) oft als Synonym füreinander gesehen bzw. miteinander in Form der „Grund- und Menschenrechte“ genannt.
Aus der Sicht der Rechtslehre ist hierbei jedoch eine Unterscheidung vorzunehmen. Ein Grundrecht ist ein Staatsbürgerschaftsrecht und kommt nach dem Wortlaut nur einer/einem Staatsbürger/in Österreichs zu. Diese Rechte erkennt man im Gesetz an der einleitenden Phrase „Jeder Staatsbürger hat das Recht auf…“.
Beispiele für solche Staatsbürgerschaftsrechte in Österreich sind zum Beispiel die Freizügigkeit innerhalb Österreichs (gibt den Bürger/innen das Recht, sich ihren Aufenthaltsort und örtliche Veränderungen frei zu bestimmen) oder der Zugang zu öffentlichen Ämtern. Menschenrechte auf der anderen Seite, gelten für alle Menschen, die sich im österreichischen Hoheitsgebiet aufhalten gleichermaßen, unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status. Dazu zählen Rechte wie das Recht auf Leben, das Recht auf Familie und Privatleben, das Verbot der Folter, das Meinungsäußerungsrecht und viele mehr. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs werden jedoch zahlreiche Staatsbürgerschaftsrechte in der Zwischenzeit auch Nicht-Österreichern zuerkannt.
Wo?
In Österreich gibt es zwei wichtige Rechtsquellen, in denen die Grund- und Menschenrechte verankert sind. Das Staatsgrundgesetz 1867 und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), der in Österreich Verfassungsrang zukommt. Damit ist die EMRK im Stufenbau der Rechtsordnung über allen anderen (einfachen) Gesetzen und kann im Nationalrat nur mit einer ⅔-Mehrheit geändert werden. Im Staatsgrundgesetz finden sich überwiegend Grundrechte, also Staatsbürgerschaftsrechte, die Rechte in der EMRK hingegen werden fast ausschließlich als Menschenrechte formuliert (siehe z.B. Art. 10 EMRK: Jedermann hat Anspruch auf freie Meinungsäußerung). Daneben ist Österreich zahlreichen internationalen Verträgen der Vereinten Nationen, der EU oder des Europarates zum Schutz der Grund- und Menschenrechte beigetreten. Prominente Beispiele dafür sind die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die EU-Grundrechtecharta und zahlreiche internationale Übereinkommen zum Schutz von Frauen, Kindern und Menschen mit Behinderung (genauere Informationen zu allen Verträgen: https://www.bka.gv.at/grund-und-menschenrechte).
Verletzungen?
Grund- und Menschenrechte sollen primär das Individuum vor Handlungen des Staates durch seine Organe schützen. Jede staatliche Stelle hat sie zu achten und darf sie weder durch ein Gesetz, noch eine Verordnung oder durch einen individuellen Rechtsakt (Bescheid oder Maßnahme) verletzen. Dies gilt jedoch nicht unbeschränkt. Unter strengen Voraussetzungen (siehe nächster Absatz) darf der Gesetzgeber oder eine Behörde in ein Grundrecht eingreifen und es einschränken (Beispiel: durch das Verbotsgesetz wird das Recht auf Meinungsäußerungsfreiheit eingeschränkt – dies stellt jedoch eine gerechtfertigte Einschränkung dar).
Erfüllt eine staatliche Handlung die Voraussetzungen nicht, so ist das Grund- oder Menschenrecht verletzt. In solchen Fällen können sich die Bürger/innen an den Verfassungsgerichtshof oder die Volksanwaltschaft wenden. Sind alle innerstaatlichen Rechtswege ausgeschöpft und hat keine staatliche Stelle (inklusive Verfassungsgerichtshof) die Verletzung behoben, steht einem Individuum noch der Rechtsweg zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg offen.
Wie weit gehen Grundrechte?
Wichtig zu wissen ist jedoch, dass nicht jedes Grund- und Menschenrecht schrankenlos gilt – die einzige Ausnahme dafür ist das Verbot der Folter, dieses Menschenrecht ist unantastbar.
Für die anderen Rechte gilt, dass sie im Hinblick auf ein legitimes Ziel (Öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit, Rechte anderer etc.) und im Lichte der Verhältnismäßigkeit, durch Gesetz, Verordnung, Bescheid oder Maßnahme eingeschränkt werden können.
Problem?
Problematisch gestaltet sich die Einschränkung der Grundrechte, da gesetzliche Vorbehalte abhängig von der Zusammensetzung des Gesetzgebers (Nationalrat) unterschiedlich ausgestaltet sein können. Innerhalb der politischen Parteien kanne es außerdem durchaus unterschiedlich gesehen werden, welche Sachverhalte zum Beispiel unter die Meinungsäußerungsfreiheit fallen könnte und wann eine Demonstration untersagt werden kann (siehe aktuelle Entwicklungen zum Demonstrationsrecht). Auch im Rahmen der Terrorismusprävention werden Grund- und Menschenrechte oftmals hinter Sicherheitsvorkehrungen gestellt.
Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang, dass Grund- und Menschenrechte die Eckpfeiler jeder Verfassung darstellen und den Menschen einen Allroundschutz gegen die staatliche Gewalt und einer eventuell vorliegenden staatlichen Willkür bieten. Dieser sehr sensible Bereich ist also von staatlicher Seite mit höchster Vorsicht zu behandeln und es ist stets zwischen der Notwendigkeit einer Einschränkung und der Bedeutung eines Grundrechts für die Menschen und die Gesellschaft abzuwägen.
Text: Sophie Rendl
Foto: Politikos