Für unseren Beitrag auf Instagram über das religiöse Fasten haben wir mit einer Muslimin über das Fasten gesprochen und was es für sie bedeutet. Nachfolgend findet ihr das vollständige Interview.
Was bedeutet es für dich Ramadan zu machen?
Es geht mir bei Ramadan nicht alleine darum, auf das Essen und Trinken zu verzichten, sondern die Spiritualität steht im Mittelpunkt. Es geht darum, über die Beziehung zu Gott nachzudenken, darüber sein Verhalten und sich selbst zu reflektieren. Sich den eigenen Konsum bewusst zu machen und allgemeiner bewusster zu leben. Durch das bewusste Verzichten auf etwas, merkt man erst, was man hat und lernt dies zu schätzen.
Ramadan ist für mich nicht nach den 30 Tagen abgeschlossen, sondern ich versuche stets, etwas daraus zu ziehen, was ich dann weiterhin beibehalte.
Ich bereite mich im Vorfeld mental auf Ramadan vor und nehme mir während des Fastens auch bewusst Zeit, um nachzudenken und in mich zukehren.
Wenn man fastet, befindet man sich in einem heiligen Zustand. Die anderen Säulen macht man für sich selbst. Das Fasten ist das Einzige, was man für Gott macht und nicht für sich selbst. Mir ist es aber nicht ausschliesslich wichtig, die 5 Säulen einzuhalten. Ramadan zu machen, weil man es muss oder weil es kulturell vorgegeben wird, sondern mir geht es um das, was ich vorhin erwähnt habe. Nur wenn man reflektiert, kann man auch etwas aus dem Fasten mitnehmen. Es soll darum gehen, die Spiritualität zu stärken. Während Ramandan mache ich eine Entwicklung durch, die ich anschliessend weiterführen möchte.
Wieso fastest du überhaupt?
Theologisch gesehen muss man fasten, wenn man ein gesunder, erwachsener Mensch ist, der nicht auf Reisen ist. Auch wenn man schwanger ist, stillt oder menstruiert muss man nicht fasten. Aber ansonsten ist es eine Pflicht. Aber ich sehe es nicht als Zwang an, sondern als etwas Positives, das zu meiner Entwicklung beiträgt. Deshalb möchte ich es freiwillig mitmachen. Ramadan ist jedes Jahr anders, weil man sich auch von Jahr zu Jahr verändert. Ich habe ausserdem das Gefühl, dass es meinem Körper guttut und dass es mir, wie gesagt, in meiner Spiritualität hilft.
Wie erlebst du das Fastenbrechen?
Es gibt eine Hadith (Überlieferung) des Propheten, die besagt, dass man die letzten Minuten vor dem Fastenbrechen in sich gehen und sich an Gedanken mit Gott beschäftigen soll. Wenn man das macht, spürt man wirklich, dass man den ganzen Tag gefastet hat und die letzten Minuten kaum noch abwarten kann. In diesem Moment kann ich mich noch mehr darauf fokussieren, wie dankbar ich bin, für das was ich habe. Im Alltag vergisst man oft, die grundlegendsten Sachen wie bspw. Wasser zu schätzen. Ich stopfe mich allerdings nach Sonnenuntergang nicht mit Essen voll, sondern ernähre mich wie gewohnt.
Das Fastenbrechen am Ende der 30 Tage, das Zuckerfest, feiere ich immer mit meiner Familie. Das Fest ist ja da, um Ramadan zu zelebrieren. Man soll es also zusammen mit anderen feiern, da ein spezieller Monat zu Ende geht. Es ist ungefähr gleichzusetzen mit Weihnachten in der christlich geprägten Kultur. Dass man mit der Familie zusammenkommt, zusammen isst, trinkt etc.
Ist das Fastenbrechen ein Highlight, dass dich durch den Ramadan durchbringt?
Nein, weil ich das Fasten nicht als etwas schlimmes empfinde. Ich kenne Menschen, die sich auf das Fastenbrechen fokussieren, weil es ihnen die Motivation gibt. Den Durst zu verspüren, macht mir manchmal zwar Mühe, aber daran gewöhnt man sich.
Wann hast du das erste Mal gefastet?
Mit 12, aber damals habe ich nicht die ganzen 30 Tage durchgefastet, sondern nur ein paar einzelne Tage gefastet. Ich wollte herausfinden, wie es ist, wenn man fastet. Mein Vater hat es auch gar nicht erlaubt, dass wir Kinder fasten. Wir durften damals nur am Wochenende fasten, weil er fand, dass wir für die Schule Energie und Kraft bräuchten und weil wir ja noch nicht ausgewachsen waren. Umso älter ich wurde, umso mehr Tage habe ich gefastet. Das erste Mal komplett durchgefastet habe ich, glaube ich, mit 19. Damals noch während der Schule, wobei ich an Sporttagen nicht gefastet habe. Bei Ramadan geht es nicht darum, dass Gott will, dass du leidest, sondern es geht um das Spirituelle. Deshalb finde ich es auch in Ordnung nicht zu fasten, wenn man bspw. Sport macht.
Wie reagiert dein Umfeld darauf?
Ein Problem war es nie und negative Erlebnisse hatte ich auch keine. An der Schule hatte ich zwar manchmal die Erfahrung gemacht, dass manche Lehrer*innen nicht davon begeistert waren und dass sie kein Verständnis dafür hatten.
Es gibt aber auch Leute, die Interesse daran zeigen. Manche haben wirkliches Interesse und wollen mehr darüber erfahren, andere fragen zwar auch nach, aber mit einer negativen Einstellung.
Die häufigste Reaktion ist allerdings die Aussage: «Ich könnte nicht den ganzen Tag lang aufs Trinken verzichten!». Wenn man an etwas glaubt und findet, es sei richtig, dann kann man alles. Ramadan ist auch eine gute Gelegenheit den eigenen Körper und die eigenen Grenzen kennen zu lernen.